Laut für die Liebe: Ricarda Hofmann & Graustufe West

Normalerweise kennt man Ricarda Hofmann als Gastgeberin des mehrfach ausgezeichneten Podcasts Busenfreundin, bei dem Sie wöchentlich queere Themen und das 'Who is Who' der LGBTQ*-Community präsentiert. Das ganze (Zitat) "charmant wie ein maßgeschneiderter Anzug und deep wie der Marianengraben" – lieben wir!

Jetzt tauscht die Kölnerin das Podcast-Mikro gegen ein Gesangs-Mikro und veröffentlicht – pünktlich zur Pride-Saison – ihre erste Single. In Zusammenarbeit mit der deutschen Indie-Pop-Band 'Graustufe West' entstand der Song 'Liebe an die Macht' – ein leichtfüßiger Ohrwurm mit Queer-Hymnen-Potenzial.

Es geht um – natürlich – Liebe und Gleichberechtigung. Es geht darum, die Stimme laut gegen Vorurteile zu erheben und die Kraft der Akzeptanz zu feiern. Ricarda kämpft mit treibenden 80s-Synthesizern, eingängigen Gitarren und flippiger NDW-Attitüde für eine offenere Gesellschaft – lieben wir noch mehr!

Anlässlich der Veröffentlichung der Single (VÖ: 28.06.2024) hat sie uns ein paar Fragen beantwortet.

Interview mit Ricarda Hofmann

Bouygerhl: Barbara Schöneberger hat Mitte der 2000er Jahre ihr erstes Album augenzwinkernd und selbstironisch 'Jetzt singt sie auch noch!' betitelt. Daran musste ich schmunzelnd denken, als ich erfahren habe, dass Du einen Song veröffentlichst. Wie kommt's?

Ricarda Hofmann: Ich wollte schon lange Zeit mal ins Musikbusiness reinschnuppern, weil ich selber Gitarre spiele und gerne für mich singe. Allerdings war mir wichtig, den Song und Text zu fühlen. Mir wurde dann durch Zufall ein Song von Graustufe West in die Timeline gespült und ich war sofort Fan. Ich schrieb den Jungs, ob sie mal Bock hätten über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen. Kurz: wir hatten alle Bock und legten los.

BG: 'Liebe an die Macht' ist eine Zusammenarbeit mit der Kölner Indiepop-Band ‘Graustufe West’ – die Graustufen werden damit quasi zum bunten Regenbogen. Warum sollte es für Dich genau diese Konstellation sein?

RH: Bei mir stand das Thema LGBTIQ nicht im Vordergrund – für mich ist die menschliche Komponente in einer Zusammenarbeit deutlich wichtiger, weil Songwriting viel Offenheit und Vertrauen voraussetzt. Ich mochte die Texte von Graustufe West und ihren musikalischen Stil. Den Jungs ist völlig Wurst, wen ich liebe und supporten die Community ohne 'Wenn und Aber' – so wie es eigentlich sein muss.

BG: Der Song kommt mit einer cuten Punk-Wave-Rotzigkeit daher. Sind krachige Gitarre etwas, dass Du auch privat auf dem Kopfhörer hast? Gibt es dabei irgendwelche persönlichen Held*innen?

RH: Ich liebe 80s-Sounds und Neue Deutsche Welle. Und ja – ich habe aus aktuellem Anlass 'Major Tom' ganz oben in meiner Playlist. Ich höre aber sehr viel – von Techno über Deutsch-Pop, Phylli-Sound bis hin zu Volksmusik. Es muss mich einfach abholen. Ich habe 'Blaue Augen' von Ideal gefeiert, das später von Blümchen gecovert wurde. Von Blümchen war ich früher ein großer Fan.

BG: In der Presseankündigung sagst Du, 'Liebe an die Macht' ist mehr als ein Song – er ist ein Statement. Was wünschst Du Dir, dass die Hörerschaft mitnimmt? Welche Message soll draußen ankommen?

RH: In meiner Idealvorstellung hören den Song Menschen bei geöffnetem Verdeck im Auto während sie bei Sonnenschein eine Landstraße entlangfahren und fühlen dabei Leichtigkeit. Ich wünsche ihnen, während sie den Song mitsingen, dass sie für einen kurzen Moment die Schwere (Krisen, Kriege, Klima), die uns alle momentan umgibt, vergessen können und happy sind.

BG: Ein lautes Statement ist immer gut und wichtig. Ich habe aber das Gefühl, dass wir Queers mit den bisherigen Narrativen und Selbstverständlichkeiten plötzlich an Grenzen stoßen. Wie empfindest Du das? Und was ist gesellschaftlich gerade Deine größte Sorge?

RH: Absolut, da bin ich total bei dir. Das, was wir in den letzten Jahren innerhalb und für die Community geschafft haben, wird gerade durch das Erstarken rechter Kräfte gefährdet. Die Hasskriminalität in Deutschland steigt stark an und in über 60 Ländern müssen Menschen Angst davor haben, die Person lieben zu können, die sie lieben. Das ist für mich absolut unverständlich und macht mir Angst. Ich habe Angst davor, dass wir verlernen uns zuhören und dadurch unser Verständnis füreinander oder für verschiedene Lebensentwürfe verlieren.

BG: Zum Kölner Pride tauschst Du Dein Podcastmikro dann auch live auf der Bühne gegen ein Gesangsmikro. Das ist diesmal vermutlich eine ganz andere Art von Lampenfieber, oder?

RH: Ja. Während ich diese Fragen beantworte, bin ich im Auto von München Richtung Köln (keine Angst – ich fahre nicht). Ich bin bei Shows inzwischen nicht mehr sonderlich nervös. Aber bei der gestrigen schon, weil ich 'Liebe an die Macht' performt habe. Und die Rolle als Musikerin habe ich noch nicht ganz verinnerlicht. Wie bewegt man sich un-cringig an einem Mikrofon-Ständer? Was macht man mit seinen Armen? Einsätze! Takt! Kondition! Nie hatte ich mehr Respekt vor Taylor, Helene und Co. Absolut neues Terrain für mich und ich werde noch viel üben müssen, aber ich hab große Lust drauf, es macht unfassbar viel Spaß.

Ich habe Angst, dass wir verlernen uns zuhören und dadurch unser Verständnis füreinander oder für verschiedene Lebensentwürfe verlieren.

BG: Ist in Zukunft noch mehr Musik von Dir geplant? Können wir uns vielleicht auf eine super-queere ‘Wilhelmine/Luna/Becks feat. Ricarda-Herzschmerzballade’ freuen?

RH: Ich gucke mal, wie sich der Einstieg ins Musik-Game für mich anfühlt. Ich schließe nicht aus, dass nochmal was kommt. Was ich aber weiß: Ich will Musik für alle machen und nicht ausschließlich für die LGBTIQ-Community, aber queer wird’s eh immer sein, wenn ich Teil eines Musikprojektes bin (haha).

BG: Eine Frage darf natürlich nicht fehlen, wenn Du schon vom universellsten aller Themen – der Liebe – singst. Was ist Liebe für Dich ganz persönlich?

RH: Liebe ist für mich Verbundenheit und mit seiner Partnerin/seinem Partner auf Augenhöhe zu sein. Liebe ist, wenn man sich mit der Person an seiner Seite in schwierigen Zeiten wieder auf die guten Zeiten freut.

Bouygerhl-Quickies

Zum Schluss die fünf BOUYGERHL-Quickies:

Die Musik welcher Künstler*in beeindruckt Dich ganz aktuell?
Ich mag Malou Louis sehr gerne, die Gewinnerin von 'The Voice of Germany'. Ich hatte sie kürzlich im Podcast, in dem sie auch gesungen hat – und was soll ich sagen? Zurecht Siegerin der Musikshow. Außerdem mag ich aktuell sehr gerne die Band 'Danger Twins' – deren Songs laufen bei mir rauf und runter.

Guilty Pleasure?
Habe mal meine Playlist gecheckt: Ich habe gerade 'Herz an Herz' von Blümchen entdeckt. Aber ob's ein Guilty Pleasure ist?!

Celebrity Crush?
Britney Spears

Welche Sache beim Podcasten liebst Du am meisten?
Die Diversität. Ich mag es, mit Menschen zu sprechen, die mir eine neue Perspektive auf ein Thema vermitteln. Ich mag es, mit Menschen über ihre persönlichen Geschichten zu sprechen. Und dann freue ich mich auch über Leichtigkeit, die wir alle brauchen. Mit Hazel Brugger war es eine pure Freude, Gag-Ping-Pong zu spielen. Busenfreundin ist für mich wie eine große Spielwiese, auf der ich sehr viel lernen und ausprobieren kann.

Welche Sache beim Podcasten nervt Dich am meisten?
Am Podcasten an sich nichts, aber ich bin immer wieder überrascht, wie viele Menschen (Brands, Unternehmen, Vermarkter) LGBTIQ als 'Nischenthema' betiteln. Die Wahrnehmung der Community von außen ist etwas, an dem wir arbeiten sollten.

  • Interview Zacker
  • Fotos Busenfreundin